In die Stille
Zum Anfang deiner Wanderung lern dieses: Einsamsein.
Geh in die Stille, fürchte nicht das Schweigen!
Bist du bei dir, so bist du schon allein.
Du schweigst mit dir. Und aus der Stille steigen
Stimmen, aus dem Grund der Dinge (diesen
reglosen Kulissen deiner Fahrt),
wie das Rauschen, wie das Flüstern, das im Fließen
der Brunnen liegt und Quellen: hell und zart.
Zum Anfang deiner Wanderung (zum Ende
haucht stumm dein Mund den Dingen Leben ein,
auf denen leise ruhen deine Hände),
zum Anfang lerne dieses: Einsamsein.
Als wir am Feuer saßen
Als wir am Feuer saßen
im Auge des Hurrikans
rundum brausend die Erde sich drehte
da fielen die Lieder ein
wie Vögel aus fernen Nächten
Mit dem Rauch unserer Pfeifen
beschworen wir die Regengötter
da kamen die Stunden
die wir aus dem Gefieder der Zeit
gerissen hatten
ins Gleiten
und der Wind
trug sie im Schnabel davon.
Zeit und Traum
Träume das Leben, lebe den Traum,
krümm dich beizeiten, die Zeit krümmt den Raum.
Der Raum füllt den Himmel, der Himmel ist leer,
der Sand füllt die Wüste, der Tropfen das Meer.
Das Tuch ist dein Dach und der Mond ist dein Mund,
du bist nicht du und die Erde nicht rund.
Was gewesen, das kommt und was kommt, wird nie sein,
das Ist wird zum Einst und zu Staub wird der Stein.
Du bist nicht Du. Deine Spur in der Welt
ist wie Sand in der Wüste, wie Schnee auf dem Feld.
Das Grün wird zu Rot und das Rot fällt zu Grund,
der Keim wird zum Blatt und das Blatt wird zum Mund.
Dein Mund ist der Mond und der Traum ist dein Kleid,
krümm dich beizeiten. Der Raum krümmt die Zeit.
Debussy
Er schrieb vom Zauberglanz unendlich blauer
Pausen, die ins Meer der Töne fielen,
auf dessen Wellen helle Lichter spielen
im ew´gen Tanz von Heiterkeit und Trauer.
In seltsamer Verwandlung werden Schleier
zu schönen Körpern, die hernach vergehen.
Bemerkst du es, so ist es schon geschehen.
Wie Lachen tönt´s im Uferschilf am Weiher.
Und aus dem Laubwerk klingt der Flöten Klage.
Ein Windhauch schaukelt leise in den Bäumen.
Chevaux de bois. Nun ist es Zeit zum Träumen
im Schatten dieser stillen Nachmittage.
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Die Alte Bergstraße
Die alte Bergstraße,
oben am Bayertor entspringt sie,
springt den Krachenberg hinunter,
rauscht über die Steine,
zwängt sich durch die Enge des Schönen Turms
und ergießt sich schäumend über den Hauptplatz.
Die Häuser kühlen ihre Füße in der steinernen Flut
und beugen sich neugierig vor:
Was da alles herunterfährt!
Autos und Fahrräder, Menschen wie Treibholz,
und Minuten und Stunden und Tage und Nächte.
Überhaupt die Zeit! Sie passt nicht recht
in dieses steinerne Bett
und schlägt hier an und schrammt da hin
und schlägt Wellen und spritzt mir ins Gesicht.
Verzeihung, sagt sie, wo geht es hier zur Vergangenheit?
Immer geradeaus, sage ich, die Gegenwart hinunter.
Ich höre, wie sie unten gegen den Torbogen knallt.
Zu schnell gewesen. In dieser Stadt
sollte man es nicht eilig haben,
sage ich und wische mir die Tränen aus den Augen.
Oh, wie sie sangen!
Oh, wie sie sangen! Villon von Paris, Pirandello von Rom, Rilke von Prag.
Ich aber schreibe von Landsberg. Mein Veitsdom liegt am Krachenberg,
mein Arc de Triomphe führt in die Schlossergasse, mein Kolosseum steht am Rossmarkt
und schnaubt durch die Nüstern.
Ich weiß, sie ist schwer zu zähmen, diese Stadt. Sie schäumt wie der Fluss,
schlägt aus gegen Schwaben, bleckt ihre Häusergiebel in den bayrischen Himmel.
Man muss sie festhalten, diese Stadt, dass sie nicht abtreibt, den Fluss hinunter
mit ihrer Fracht aus Erinnerung und Vergangenheit, schwer genug.
Vielleicht schlurft auch hier ein Golem durch die Gassen, haust ein Glöckner im Turm, schleicht ein Phantom durch die Kavernen des
Stadttheaters, wer weiß.
Ich aber stehe am Rossmarkt und versuche sie zu zähmen und werfe ihr
Wörter vor und Sätze voller Fragezeichen und Rufzeichen und manchmal
einem Gedankenstrich dazwischen.
Oh, es sind viele Geschichten, die ich ihr vorwerfe, aber sie schnaubt nur
und lacht mir ins Gesicht und sagt, es ist alles ganz anders,
und die Wirklichkeit ist nur ein Traum
in die Fluten des Flusses geworfen.